Laufen ist nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Wie man mit Enttäuschungen, Wut und Niederlagen umgehen sollte
Laufen macht glücklich, oder?
Unterm Strich gesehen: ja. Laufen macht nicht nur glücklich, sondern tut dem Körper und der Seele gut. Allerdings kann es auch genau das Gegenteil bewirken: Laufen kann dem Körper und der Seele schaden, wenn mann sich zu sehr in seine Leistung „verbeißt“, es körperlich übertreibt und den Erfolgsdruck nicht mehr unter Kontrolle bekommt. Zu jedem Lauferfolg gehören auch Niederlagen – denn wie lassen sich sonst Erfolge definieren?
Ich laufe nun seit ungefähr vier Jahren, aber „erst“ seit Winter 2017 mit Zielen und großer Leidenschaft. In dieser Zeit habe ich unglaublich viele Enttäuschungen erlebt, Wutausbrüche gehabt und wäre beinahe an mir selbst verzweifelt – weil ich mit meiner Leistung manchmal nicht zufrieden war – und manchmal kann ich damit ziemlich gut umgehen. Manchmal aber auch eher weniger.
Ist Selbstenttäuschung beim Laufen vermeidbar?
Wer an dieser Stelle erwartet, eine goldene Regel von mir zu erhalten, wie ihr nie wieder mit Enttäuschungen konfrontiert werdet, der sollte besser nicht weiterlesen. Ich habe keine Zauberformel. Kein Mensch ist so gut, dass er niemals mit Niederlagen umgehen muss und nur noch Erfolge verzeichnet. Aber ich kann euch sagen, dass Enttäuschungen absolut in Ordnung sind und dass es zum Laufen dazugehört, wenn man kurz zweifelt, weint und vielleicht sogar auf eine Art und Weise eingeschnappt ist. Enttäuschungen sind nicht vermeidbar, aber man kann lernen, mit ihnen umzugehen und aus diesen zu lernen.
Gründe für Niederlagen beim Laufen
Vielleicht war euer letzter Lauf anstrengender als erwartet, ihr habt eure Zielzeit nicht erreicht oder es läuft schon seit Wochen nicht so, wie ihr es euch wünscht. Letzteres ist bei mir der Fall. Nach meiner Laufpause habe ich gehofft, schnell wieder in meinen guten Trainingszustand zurückzukehren. Leider ist dies nach bisher 5 Wochen noch lange nicht der Fall. Ich habe mein feines, unbeschwertes Laufgefühl noch nicht wiedererlangt, mein Puls steigt bei geringer Belastung in die Höhe und ich bin mit meiner Pace nicht wirklich glücklich. Wenn ich mir dann vor Augen halte, dass ich vor weniger als drei Monaten, die10 Kilometer in unter 52 Minuten gelaufen bin und mir 12-13 Kilometer stets leicht „von den Füßen“ gefallen sind, frage ich mich ernsthaft, wie um alles in der Welt ich das geschafft habe. In mir baut sich eine Wut und Enttäuschung auf, es macht mich traurig. Und dann denke ich „STOP, Nele, hör auf damit!“. Dass genau das die falsche Herangehensweise an die ganze Sache ist, dessen bin ich mir bewusst. Aber manchmal ist es (leider) einfacher, negative Gedanken zuzulassen als Positive…
Mit Niederlagen und Wut beim Laufen umgehen
Aber wisst ihr was? Die Erkenntnis, dass es sich hierbei um negative Gedanken handelt, ist schon der erste Schritt zu lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Ich versuche mir immer wieder vor Augen zu halten, dass dieser für mich sehr gute Trainingszustand keiner ist, den ich erst noch erreich muss, sondern einer, den ich bereits erreicht habe – und dieser Zustand wird früher oder später wiederkommen.
Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass jeder Niederlage, bzw. jedem Misserfolg, auch ein Erfolg vorausgeht. Je größer und schöner der Erfolg, desto niederschmetternder sind die Niederlagen zu verkraften. Jeder Läufer sammelt Erfahrungen, woran er seine Leistung über die Läufe hinweg messen kann. Was wir nicht vergessen dürfen (und was ich gerne vergesse) sind die Dinge, die zwischen den Läufen passieren – vielleicht werden wir krank, sind verletzt, erschöpft von der Arbeit oder verabreden uns mit Freunden. All das wirkt sich auf unsere Läufe aus, einiges davon negativ. Deshalb ist es Irrsinn, einen Lauf, zwischen dem drei Tage Kranksein liegen, mit dem Lauf vor dieser Zeit zu vergleichen. Natürlich darf man enttäuscht sein, aber man sollte an dieser Stelle von keiner Niederlage reden. Nennen wir es „unbefriedigende Leistung“.
Das ist der zweite Schritt: Wer definiert überhaupt Niederlagen? Ist eine Niederlage das Absolvieren einer kürzeren Distanz, obwohl man weiter laufen wollte? Oder sind Niederlagen langsamere Läufe, ein nicht-fitter Trainingszustand in dem einen Moment? Ich denke nicht. All das sind per se keine Niederlagen, sondern einfach Erfahrungen, die wir nicht als „Erfolge“ betiteln – schließlich haben wir diese zuvor für uns definiert und besitzen eine genaue Vorstellung davon, was für uns „Erfolge“ sind.
Wut beim Laufen kompensieren
Bleibt zum Schluss und als drittes noch die Frage, wie man mit der Wut umgehen sollte. Vielleicht empfinden einige von euch auch gar keine Wut. Hierbei gibt es nur eine Option, mit Wut umzugehen: Man muss sie rauslassen. Wenn euch während des Laufs eine Art von Wut überkommt, dann bleibt stehen, dehnt euch und atmet tief durch. Versucht den Grund eurer Wut zu evaluieren und überlegt, wie ihr damit umgehen könnt.
Ein Beispiel: Die ersten drei Kilometer liefen richtig gut. Plötzlich hat man das Gefühl, aus der Puste zu sein und die Beine wollen irgendwie nicht so sehr. Der Gedanke „Wie, nach drei Kilometern schon am Ende?!“ kommt einem in den Kopf und löst Wut aus. Entweder, man vergisst an dieser Stelle jegliches Ziel, das man mit dem Lauf haben wollte, oder aber man macht eine kurze Pause und sortiert sich neu. Es gibt Tage, an denen sind selbst drei Kilometer ein schlechter Scherz, das ist nun mal so! Wer sich jetzt darüber aufregt, dem wird der Lauf nicht leichter fallen – ganz im Gegenteil. Aufgestaute Wut strengt den Kopf viel mehr an, als es sollte.
Egal ob es drei, vier, fünf oder zehn Läufe in der letzten Zeit gab, die eher enttäuschend als befriedigend waren ist es wichtig, dass man sich nicht fertig macht, sondern dran bleibt. Vielleicht will euch der Körper auch zeigen, dass es ihm gerade zu viel ist. Auch darüber sollte man nachdenken. Vielleicht schaffe ich es in diesem Jahr nicht mehr, meine ursprüngliche Leistung zurückzubekommen, vielleicht aber auch doch. Und wenn nicht, ist es definitiv keine Niederlage.
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