Eine Geschichte. Meine Geschichte. Zu zwei Jahren RUNNERFEELINGS. Inklusive Audiodatei für extra #runnerfeelings
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PROLOG
Januar 2018. Neues Jahr, neues Glück. In diesem Jahr werde ich meinen ersten Halbmarathon laufen. Warum? Weil ich Lust habe! Was sind schon 21,195 km?
Voller Erwartungen lade ich mir einen Trainingsplan herunter: „In 6 Monaten zum Halbmarathon“. Das hört sich gut an. Ein halbes Jahr ist viel Zeit, viel Zeit für ausreichend Training, ausreichend Pausen und ausreichend Zeit, sollte ich mir das Ganze doch nochmal anders überlegen. Eine Frage erschien auf meinem Smartphone-Screen … wann ich denn mit meinem Training beginnen mag. Ich klickte vollen Mutes auf folgenden Button: Jetzt! Wenn ich eine Sache in diesem Moment nicht brauche, dann ist es Motivation. Meine Wochen bestanden aus langsamen Dauerläufen, anstrengend Intervalleinheiten, Laufpausen, viel Frustration, hohen Pulswerten, erfolgreichen Bestzeiten und vor allem: einem ständigen auf und ab. Ich begann zu begreifen, dass Läufe unfassbar unterschiedlich sein können. An einem Tag fühlte ich mich gut und lief miserabel. An anderen Tagen hatte ich keine Lust und joggte quietschfidel und munter die Straße entlang, als hätte ich nie etwas anderes gemacht. Und dann war er da: Nach nur(!) 3 Monaten Training lief ich das erste Mal die 21,1 km. Und nochmal. Und ja – nochmal. Was mich das gekostet hat? Im Schnitt 2 Stunden und 7 Minuten. Vor allem aber eins: eine Menge Training, ein eisernes Mindset und mein Versprechen, niemals die Freude am Laufen zu verlieren. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich jedoch noch nicht, wie nah Freud und Leid beim Laufen beieinander liegen können…
Kapitel 1
Aufstehen. Einen Riegel essen. Anziehen. Schnell eine Instagram-Story machen. Dann war er da, der Tag der Tage. MEIN Tag der Tage. Um 8 Uhr früh fiel der Startschuss und ich lief. Lief ohne Probleme, ohne Schmerzen. Voller Fokus auf mich und meine Füße. Was für ein Runners high. In unter zwei Stunden waren die 21,1 km passé und ich stolz wie Oskar. Ein wenig weinen, ein wenig jubeln. Und mir und meinem Körper danken.
Während die Monate dahingingen lief ich weiter. 10 Kilometer standen an der Tagesordnung, Samstage waren für Longruns da. Ob ich in dieser Zeit jemals hab einen Longrun ausfallen lassen? Ja, vielleicht einen. Und da hat es wahrscheinlich einen triftigen Grund für gegeben. Hagel oder dergleichen.
Im September lief ich nochmal die 21,1 km in Vancouver. Was war ich glücklich. Zeitlich keine Glanzleistung, aber die Erfahrung war alles, was ich mir jemals gewünscht habe. Wahnsinn. Ich war begeistert davon, was das Laufen mit mir machte. Wie ich immer besser wurde und Willensstarke entwickelte.
Aber so hoch das Runners high war, so tief war dann auch der Fall. Mein Fall.
Kapitel 2
Manchmal passieren Dinge im Leben, die dein ganzes Leben auf den Kopf stellen. Die von dir erfordern, dass du dich im Universum einmal neu sortierst – die erfordern, dass ich nicht einen, sondern zehn Gänge zurückschalte. Auch beim Laufen? Ja… auch beim Laufen.
Aus der innigen Beziehung zum Laufen wurde eine Affäre – wenn ich Lust hatte, dann lief ich. Der Unterschied zum wahren Leben ist womöglich der, dass eine Affäre etwas per se schlechtes darstellt. Rückblickend kann ich sagen, dass mir eine Laufaffäre ganz gut getan hat. Aber zurück zum Anfang.
Ich lief mal mehr, mal weniger. Meine Form habe ich Gottseidank nie so wirklich verloren. Daran war wohl das effektive Lauftraining schuld. Allerdings musste ich auch einiges wegstecken: Der Wings for Live world run im Mai 2019 zog mir meine komplette Energie. Die Folge: Erschöpfungszusammenbruch nach 15 Kilometern. Halleluja.
Kapitel 3
Irgendwann kam ich wieder auf die Beine und ging im Sommer 2019 wieder an die Startlinie – 5km. In der Vergangenheit hätte ich für den Start an einen 5km-Lauf wahrscheinlich keinen Cent ausgegeben. Aber ich sahnte ab – Bestzeit! Ich war überglücklich.
Die nachfolgenden Monate waren wieder ein Auf und Ab. Hier und da ein Wettkampf, gefühlt habe ich wenig. Nichts halbes und nichts Ganzes. Irgendwann registrierte ich, dass etwas Entscheidendes fehlt: Nach jedem Lauf fühlte ich mich zwar psychisch gut – körperlich aber so gar nicht. Und irgendwann, dann kehrt sich dieser Moment leider um. Ich war wütend. Sauer. Unglücklich. Ich hatte mir selbst doch das Versprechen gegeben, das Laufen immer zu lieben. Irgendwann kommt dann der Tag, an dem man die Affäre beenden und folgende Entscheidung treffen muss: Beziehung oder Trennung? Ich entschied mich für das einzig richtige: die Beziehung.
Kapitel 4
Januar 2020. Es lief ganz gut soweit, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich begann meine Longruns wieder zu genießen und ging die „Sache mit dem Laufen“ locker an. Meine alten Trainingspläne löschte ich von meinem Smartphone und ich versuchte, meine Erwartungen an mich selbst herunterzuschrauben. Mein Credo: Hauptsache laufen. Egal wie weit, egal wie schnell. Aber eh ich mich versah, stand eine neue Herausforderung vor der Tür: Corona.
Mein Plan war der folgende: Laufen, was das Zeug hält. So schlimm die ganze Geschichte auch ist, so hat sie mindestens eine gute Seite: Zeit zum Laufen. Ich wollte schon immer mal das Gefühl des Homeoffices erleben, die Mittagspausen zum Lunchrun nutzen und – Achtung – ungeduscht vor dem Laptop sitzen. Sieht ja keiner. Daraus wurde nichts.
Während andere ihre Liebe zum Laufen entdeckten, überkam mich eine Angst. Die Angst, das Virus zu bekommen, Nebenwirkungen zu spüren und nicht mehr Laufen zu können. Kurzum: Ich malte mir die schlimmsten Dinge aus. Und jeder weiß, welche Macht und Kraft Gedanken haben können. Sie schnürten mir den Hals zu.
Wie soll ein Mensch laufen, der das Gefühl hat, nicht richtig Luft zu bekommen? Ja, eben. Ich brauchte Luft zum atmen. Also blieb nur die Trennung übrig.
Während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe denke ich darüber nach, wie sich wohl alles hätte entwickeln können. Am liebsten würde ich genau diesen Satz wieder löschen, weil ich über so etwas gar nicht nachdenken muss. Das ist Humbug. Aber ich teile hier meine Laufgedanken mit euch, also wird hier gar nichts gelöscht.
Es hat Monate, Kraft, Tränen und etliche Stunden Selbstreflexion gebraucht, bis es wieder lief. Zumindest einigermaßen. Und hier stehe ich jetzt. Mit einer langsameren Pace und kürzeren Distanzen, dafür aber mit mehr Vorsicht, Verständnis und Einsicht. Ich brauche mir nichts mehr beweisen. Ich brauche nur eins: meine Laufschuhe zu schnüren und loszulaufen.
Wie es sich mit der Liebe zum Laufen verhält? Wir nähern uns an. Die Trennung auf Zeit war notwendig, aber nicht für ewig. Wir arbeiten an uns. Und all diese Arbeit könnt ihr in jeder Zeile auf RUNNERFEELINGS.com lesen – und das seit nun zwei Jahren. Happy Birthday, runnerfeelings.
EPILOG
Achso – wie viel passt nun eigentlich in zwei Läuferjahre? Ich würde sagen: eine ganze Menge. Und wer hätte 2018 gedacht, dass mich das Laufen mal dorthin führt, wo ich heute stehe? Die Nele von damals bestimmt nicht.
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