Das Mantra „No pain, no gain“ hat sich in der Läufer:innen- und Fitnesskultur tief verwurzelt und wird häufig als Aufruf verstanden, über körperliche Grenzen hinauszugehen, um Fortschritte zu erzielen. Sollten wir den Schmerz noch immer glorifizieren? – beyond the runners' feelings.
What I've learned from running is that the time to push hard is when you're hurting like crazy and you want to give up. … Success is often just around the corner. – James Dyson
No Pain, no gain – Sollten wir Schmerzen im Lauftraining noch immer glorifizieren?
No pain, no gain! Ich kenne diesen Spruch natürlich und habe ihn selbst in der Vergangenheit schon oft benutzt. Wenn ich ihn heute in den sozialen Medien lese, überkommt mich jedoch ein sehr mulmiges und ungutes Gefühl. Ich weiß ja, wie's eigentlich gemeint ist. – Nur das ist eigentlich theoretisch nicht genug. Und in der Praxis sowieso nicht.
Diese Denkweise, dass Schmerzen für Erfolg wichtig sind, spiegelt sich auch stark in der „Hustle-Culture“ wider, die ständige Selbstoptimierung und Überanstrengung glorifiziert.
Und ja, das ist problematisch. Die Betonung liegt oft auf der Überwindung von körperlichem Schmerz, was dazu führen kann, dass die Warnsignale des Körpers ignoriert werden. Dieser Gedanke, dass Fortschritt nur durch Schmerz und Leiden erreicht wird, fördert eine Mentalität, die Gefahr läuft, in Selbstzerstörung zu münden. Und glaubt mir, ich würde das nicht schreiben, wenn ich nicht selbst an diesem Punkt gewesen wäre.
Höher, schneller, weiter im Lauftraining – zu welchem Preis?
Ich wollte beim Laufen besser werden, immer schneller, immer mehr. Das Gut von gestern war heute schon nicht mehr gut genug.
Ich kenne den Schmerz von Trainingsreizen, den die Muskeln ertragen müssen, damit man besser wird. Stichwort Intervalltraining. Aus physiologischer Sicht ist das gewiss richtig: Nur Reize fördern Wachstum, und wachsen tut weh – wie als Kind, wenn die Beine schmerzten, nur damit man am nächsten Tag drei Zentimeter an Körperlänge zugelegt hat.
Ich habe eine gespaltene Meinung zu diesem Mantra. Einerseits kann ich es verstehen. Ich möchte es aber nicht einfach so hinnehmen, ohne mit erhobenem Finger und Vorsicht zu sagen, dass es hierbei um eine besondere Art von Schmerzen geht.
Ich bin auf ein Zitat gestoßen, dass den Zusatz ganz gut in den Fokus rückt:
‘No pain, no gain’ does not mean that pain systematically equals gain. It’s easy to go hard. It’s hard to go smart.” –Erwan Le Corre
Dieses Zitat fordert uns förmlich dazu auf, Schmerz nicht einfach hinzunehmen, sondern die Grenze zwischen gesundem Fortschritt und Überanstrengung zu erkennen.
Mit „It’s easy to go hard. It’s hard to go smart.“ meint Le Corre, dass es oft mehr Selbstdisziplin und Bewusstsein erfordert, nicht blind über die Grenzen hinauszugehen, sondern zu wissen, wann es klüger ist, einen Gang zurückzuschalten oder achtsam zu trainieren.
Und ich bin fest davon überzeugt, dass es ein viel größerer Schmerz sein kann, das erstmal für sich selbst herauszufinden.
"No Pain, no gain" oder doch "gain without pain"?
Über körperliche Grenzen hinauszugehen ist keine Heldentat. Es ist gewiss keine Lebensphilosophie. Ich muss nicht erklären, was mit den großen Helden und Philosophen unserer Geschichte am Ende passiert ist …
Wie gehen wir nun mit diesem Mantra um? Tja – ein wenig lockerer, würde ich einfach meinen.
Letztlich ist „No pain, no gain“ nicht per se falsch – aber es ist auch nicht die ganze Wahrheit. Manchmal liegt der Gewinn nicht darin, durch den Schmerz zu gehen, sondern darin, zu erkennen, wann genug ist. Und das zu akzeptieren, das ist oft der schwierigste, aber auch der wertvollste Schritt.
Ich befürchte jedoch, dass die meisten Sportler:innen diesen Zusatz vergessen.
Comments